Stille Nacht, heilige Nacht. Die Weihnachtsfeier 2023 sollte sich dieses Jahr in München zutragen. Da ich mich dieses Jahr mal nicht über die Verspätungen der Bahn ärgern wollte dachte ich, nehme ich mal ganz galant und bequem einen Flieger. Denn was ist schon entspannter, als fliegen?
Gesagt, getan. Flug gebucht, mit dem Auto nach Düsseldorf gefahren, von dort 2 Stationen S-Bahn. Hingeflogen, im Hotel eingecheckt. ibis budget, München City. Alles schicki. Sonderwunsch: Zimmer am Ende des Ganges beherzigt, kein Problem 🙂
Im Zimmer merke ich schnell: oh, ganz schön frisch. Die Heizung produziert zwar Geräusche, nicht aber Wärme. Rezeption: „Guten Abend, meine Heizung geht leider nicht, könnte da mal jemand schauen – oder ich umziehen?“. – „Heute Abend nicht mehr, ist auch das letzte Zimmer, leider.. Aber wir hätten hier diese attraktive Wolldecke….“ – „Nee, passt schon, danke:“. Trick 17: Zimmertür auflassen und die Wärme des Flures reinlassen. Die zwei Nächte kriegen wir schon rum, schließlich geht es übermorgen Abend wieder nach Hause.
Bei der Weihnachtsfeier fällt leichter Schnee und es ist ein schöner Abend. Dann wieder ins Hotel. Heizung immer noch nicht repariert. Egal, morgen flieg ich ja zurück. Tags geh ich noch einmal ins Büro, dann zum Feierabend Richtung Flughafen. Die S-Bahn braucht ca. 30 Minuten, der Check-In geht schnell. Dann jedoch müssen wir 20 Minuten warten, unser Flieger hat Verspätung. Es kommt eine Durchsage: „Liebe Fluggäste, zur Verringerung des Handgepäcks in der Kabine bitten wir, Ihr Gepäck noch kostenlos in den Frachtraum verladen zu lassen. Melden Sie sich am Schalter.“ Warum eigentlich nicht – dann hab ich Ruhe auf dem Flug. Ich gebe mein Gepäck also ab und kurz darauf geht auch schon das Boarding los.
Wir sitzen im Flugzeug und es schneit. Ein bisschen. Und dann noch ein bisschen. Und dann hört es gar nicht mehr auf. Der Flügel wird vom Schnee befreit. Doch unser Slot ist weg und wir müssen warten. In der Zeit schneit der Flügel zu und wir müssen ihn noch einmal vom Schnee befreien lassen.
Die Leute werden langsam unruhig und durstig. Es ist warm und die Flugbegleiter gehen durch das Flugzeug und verteilen Gratisgetränke. Und Snacks. Bis alles leer ist und nach ca. 2 Stunden die Durchsage kommt, dass der Flieger nicht mehr starten wird. Der Schneefall ist einfach zu stark.
Wir steigen also wieder aus. Es ist ca. 21 Uhr. Ich brauch nur noch meinen Koffer.. Ach ja, da war ja war. Von den drei Teams Bodenpersonal ist leider nur noch eins verfügbar, somit dauert es noch schlanke 2 Stunden, bis der Koffer wieder aus dem Rumpf des Flugzeugs geborgen werden kann. Damit wäre dann auch der letzte Zug nach Hause weg, also überlege ich, den Koffer nachsenden zu lassen und klär, ob das möglich ist. Ist es. Ich fülle eine Karte aus. Fast gebe ich die Karte ab, dann fällt mir ein: Mein Autoschlüssel ist ja im Koffer – ich muss also warten.
Die Prognose war gut, denn es dauert tatsächlich 2 Stunden bis der Koffer wieder auftaucht. Schnell zum Zug – knapp verpasst. Nächste S-Bahn. Und los geht’s.
Zum Hauptbahnhof komme ich jedoch nicht mehr: In München-Ost ist Endstation, weil aufgrund des starken Schneefalls mittlerweile so gut wie nichts mehr fährt: kein Bus, keine Strassenbahn, keine S-Bahn. Nur noch eine U-Bahn zum Hauptbahnhof – und von dort hoffentlich noch ein Zug Richtung Heimat.
Ich mache eine nette U-Bahn Bekanntschaft, verfahre mich dafür aber leider und muss weitere 18 Minuten auf den Zug zurück warten. Naja, alles hat seinen Preis im Leben.
Am Bahnhof herrscht Chaos und endlose Schlangen vor dem Reisezentrum. Züge fahren keine mehr. Eine kurze Recherche nach einem Hotel ist hoffnungslos, keine Chance. Wie gesagt, Züge fahren keine mehr – Aber es stehen welche: zum darin Übernachten. Ich kaufe etwas Notproviant und stelle mich auf eine Nacht im Aufenthaltszug ein.
Nach einer anstrengenden Nacht im Zug naht morgens Rettung: Ein Kollege versorgt mich mit einer Decke und einem Schlüssel für das Büro. Dort ist es warm, es gibt eine Küche und Internet. Also insgesagt eine nennenswerte Verbesserung zum Zug, und auch zum ibis.
Am nächsten Tag ist auch noch keine Rückreise möglich. Aber es ist winterlich schön in München. Ich besorge mir etwas zu Essen und bleibe eine weitere Nacht.
Dann die Hoffnung: Es sollen wieder Züge fahren. Gleich morgens fahre ich zum Bahnhof und steige in einen vorderen Waggon ein. Mit Sitzplatz, super. Aber der Zug fährt nicht los: es ist zu voll. Immer mehr Menschen drängen in den Zug und so kommt eine Durchsage, dass die Bundespolizei den Zug teilräumen wird: Jeder ohne Sitzplatz muss aussteigen. Das dauert eine Ewigkeit, denn niemand möchte so gerne noch eine weitere Nacht in München bleiben. Nach 1,5 Stunden ist es fast soweit.
Eine Mann mit Gehbehinderung steigt ein, Minuten vor Abfahrt des Zuges. Die Zugbegleiterin steuert zielgerichtet meinen Platz an und bittet mich aufzustehen, damit der Mann mit Sitzbehinderung Platz nehmen kann. Kein Problem. Sofern das nicht bedeutet, dass ich dafür aussteigen muss. Bedeutet es aber.. eigentlich. Heimlich überbrücke ich die 5 Minuten und der Zug fährt los. Und ich bin drin 🙂 Ein Stehplatz, aber ich kann mein Glück kaum fassen.
An der nächsten Station Augsburg trübt sich die Freude jedoch: Der Bahnsteig ist voll und Menschenmengen drängen in den Zug. Gleiche Situation wie in München. Es droht erneut die Teilräumung. Und jetzt ist mein Joker, der Sitzplatz weg. Die Bundespolizei muss erneut einschreiten. Ich weiß nicht, wie ich es schaffe, aber ich bleibe erneut im Zug. Doch die Angst fährt ab sofort mit, Station für Station.
Und keine Chance auf einen Sitzplatz. Bis Düsseldorf nicht, das kann ich schon mal spoilern. Nach nervenausreibenden 9 Stunden Zugfahrt trudeln wir am Zielbahnhof ein. Ich fühle mich, als hätte ich soeben die komplette Strecke der transsibirischen Eisenbahn zurückgelegt. Ich bin müde und kaputt, aber froh, es irgendwie geschafft zu haben.
Was bleibt ist die Ruhe vor dem Sturm.. dem Weihnachtssturm. Wenn der entschleunigende Schnee, der alles zum Erliegen brachte wieder geschmolzen und es mit der Ruhe vorbei ist…